Missbräuchliche Kündigung durch den Arbeitgeber in der Schweiz
In der Schweiz herrscht bei Arbeitsverträgen zwar grundsätzlich Kündigungsfreiheit, aber es gibt Einschränkungen: Unter anderem dürfen Arbeitgeber keine missbräuchliche Kündigung aussprechen.
Im folgenden Beitrag gehen wir kurz auf die Kündigungsfreiheit ein, dann erklären wir die gesetzliche Regelung der missbräuchlichen Kündigung, geben Beispiele für missbräuchliche Kündigungen und erklären, welche Entschädigungen man bei einer missbräuchlichen Kündigung bekommen kann.
Kündigungsfreiheit als Grundsatz
Grundsätzlich besteht in der Schweiz bei privatrechtlichen Arbeitsverträgen Kündigungsfreiheit, es sei denn, im Arbeitsvertrag ist etwas anderes geregelt – etwa unter Einbeziehung eines Gesamtarbeitsvertrages (GAV). Der Arbeitgeber benötigt also rein vom Gesetz her keinen Grund, um ein Arbeitsverhältnis zu kündigen, sondern muss lediglich die Kündigungsfristen einhalten.
Allerdings gibt es neben vertraglichen auch gesetzliche Ausnahmen von der Kündigungsfreiheit, also auch einen gesetzlichen Kündigungsschutz. So darf der Arbeitgeber gemäss dem Katalog in Artikel 336c des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) nicht zur Unzeit kündigen. Während einer Krankheit des Arbeitnehmers zum Beispiel muss der Arbeitgeber nach Ablauf der Probezeit bestimmte Sperrfristen beachten.
Eine weitere Ausnahme von der Kündigungsfreiheit sind sogenannte missbräuchliche Kündigungen, die ebenfalls im Schweizer Arbeitsrecht gesetzlich geregelt sind.
Missbräuchliche Kündigung im Gesetz: Art. 336 OR
Was ist eine missbräuchliche Kündigung bzw. wann ist eine Kündigung missbräuchlich? Die Antwort darauf findet sich im Katalog des Artikels 336 OR, der allerdings nicht abschliessend ist. In Artikel 336 OR werden folgende Gründe genannt, die zur missbräuchlichen Kündigung in der Schweiz führen:
«Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht:
- wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht, es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb;
- weil die andere Partei ein verfassungsmässiges Recht ausübt, es sei denn, die Rechtsausübung verletze eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb;
- ausschliesslich um die Entstehung von Ansprüchen der anderen Partei aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln;
- weil die andere Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht;
- weil die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet oder eine nicht freiwillig übernommene gesetzliche Pflicht erfüllt.
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist im Weiteren missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird:
- weil der Arbeitnehmer einem Arbeitnehmerverband angehört oder nicht angehört oder weil er eine gewerkschaftliche Tätigkeit rechtmässig ausübt;
- während der Arbeitnehmer gewählter Arbeitnehmervertreter in einer betrieblichen oder in einer dem Unternehmen angeschlossenen Einrichtung ist, und der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte;
- im Rahmen einer Massenentlassung, ohne dass die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer, konsultiert worden sind (Art. 335f).
Der Schutz eines Arbeitnehmervertreters nach Absatz 2 Buchstabe b, dessen Mandat infolge Übergangs des Arbeitsverhältnisses endet (Art. 333), besteht so lange weiter, als das Mandat gedauert hätte, falls das Arbeitsverhältnis nicht übertragen worden wäre.»
Über diese in der Liste von Art. 336 OR aufgeführten Fälle hinaus kann eine missbräuchliche Kündigung nach dem Schweizerischen Bundesgericht wegen des Verbots des Rechtsmissbrauchs in Artikel 2 Absatz 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) auch in anderen Fällen vorliegen, sofern diese Fälle in ihrer Schwere mit den in Art. 336 OR aufgeführten Missbrauchstatbeständen vergleichbar sind (Urteil des Bundesgerichtes 4A_617/2023 vom 8. Oktober 2024). Denn Art. 336 OR konkretisiert nur das allgemeine Rechtsmissbrauchs-Verbot (Urteil des Bundesgerichtes 4C.215/2005 vom 20. Dezember 2005). Dabei können nicht nur die Kündigungsmotive rechtsmissbräuchlich sein, sondern auch die Art und Weise der Kündigung, etwa eine schwere Persönlichkeitsverletzung im Rahmen der Kündigung.

Missbräuchliche Kündigung – Beispiele
Im Folgenden geben wir ein paar Beispiele für missbräuchliche Kündigungen im Sinne des Katalogs in Artikel 336 OR bzw. im Sinne von Art. 2 Absatz 2 ZGB (allgemeines Rechtsmissbrauchs-Verbot):
Rachekündigungen
Eine Unterform der missbräuchlichen Kündigung ist die Rachekündigung, von der man spricht, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigt, weil der Arbeitnehmer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Treu und Glauben geltend macht. Eine missbräuchliche Kündigung liegt hier zum Beispiel dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigt, weil Letzterer vom Arbeitgeber die Rückerstattung von unzulässigen Lohnabzügen verlangt.
Ein anderes Beispiel für eine Rachekündigung ist die Kündigung eines Arbeitnehmers, welcher sein Arbeitspensum vorübergehend nicht erhöhen will.
Vereitelungskündigungen
Eine andere Form der missbräuchlichen Kündigung sind Vereitelungskündigungen, mit denen solche Kündigungen gemeint sind, bei denen es ausschliesslich um die Vereitelung der Entstehung von Ansprüchen des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis geht.
Eine solche missbräuchliche Vereitelungskündigung liegt etwa vor, wenn die Kündigung erfolgt ist, kurz bevor der Arbeitnehmer eine Gratifikation vom Arbeitgeber erhalten hätte oder etwa ein Dienstaltersgeschenk.
Alterskündigung
Unter den Begriff Alterskündigung fällt zum Beispiel die missbräuchliche Kündigung kurz vor der Pensionierung. Missbräuchlich ist eine solche Kündigung, wenn der Arbeitgeber beim Kündigen nicht besondere Voraussetzungen erfüllt hat, darunter die Suche nach alternativen Lösungen, wie das Bundesgericht im Urteil vom 8. Oktober 2024 (4A_617/2023) festgehalten hat.
Konfliktkündigung
Eine weitere Unterart der missbräuchlichen Kündigung ist die sogenannte Konfliktkündigung. Missbräuchlich ist eine Kündigung wegen eines Konfliktes des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz, wenn der Arbeitgeber nicht zumutbare Massnahmen getroffen hat, um den Konflikt zu entschärfen.
Änderungskündigung
Auch eine Änderungskündigung kann missbräuchlich sein, und zwar in der Regel dann, wenn etwa Änderungen des Arbeitspensums, des Arbeitsortes, des Lohnes oder etwa der Funktion nicht durch einen betrieblichen Grund oder einen marktbedingten Grund gerechtfertigt werden können.
Missbräuchliche Kündigung wegen Krankheit
Grundsätzlich ist auch eine Kündigung wegen einer Krankheit des Arbeitnehmers möglich, sofern die Krankheit die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers beeinträchtigt und die Kündigungssperrfrist abgelaufen ist (Urteil des Bundesgerichtes 4A_293/2019 vom 22. Oktober 2019).
Zur Vertiefung dazu können Sie folgenden Artikel lesen: «Darf der Arbeitgeber eine Kündigung während einer Krankheit vornehmen»
Aber auch eine Kündigung wegen Krankheit kann missbräuchlich sein. Eine solche missbräuchliche Kündigung wegen Krankheit liegt dann vor, wenn die Krankheit des Arbeitnehmers durch eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verursacht wurde.
Entschädigung bei missbräuchlicher Kündigung
Auch wenn die Kündigung gemäss Artikel 336 OR missbräuchlich war, bleibt die Kündigung trotzdem rechtswirksam. Der Arbeitsvertrag endet also nach dem Ablauf der Kündigungsfrist.
Die Folge einer missbräuchlichen Kündigung ist aber, dass der Arbeitnehmer bei Einhaltung der Einsprachefrist sowie bei Einhaltung der Klagefrist einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung hat. Zur Höhe der Entschädigung heisst es in Artikel 336a Absatz 2 OR:
«Die Entschädigung wird vom Richter unter Würdigung aller Umstände festgesetzt, darf aber den Betrag nicht übersteigen, der dem Lohn des Arbeitnehmers für sechs Monate entspricht. Schadenersatzansprüche aus einem anderen Rechtstitel sind vorbehalten.»
Im Falle einer missbräuchlichen Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung, bei der die Arbeitnehmervertretung nicht konsultiert wurde bzw. wenn es keine Arbeitnehmervertretung gibt, die Arbeitnehmer nicht konsultiert wurden, beträgt die maximale Entschädigung nicht sechs Monatslöhne, sondern zwei Monatslöhne.
Verfahren gemäss Artikel 336b OR
Wer eine Entschädigung wegen einer missbräuchlichen Kündigung geltend machen möchte, muss die Verfahrensvorschriften nach Artikel 336b OR beachten, wonach eine Einsprachefrist und eine Klagefrist einzuhalten sind.
Einsprachefrist
Zum einen muss man zur Geltendmachung der Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung die Einsprachefrist einhalten, wonach man eine Einsprache gegen die missbräuchliche Kündigung gegenüber dem Arbeitgeber erheben muss, die bis spätestens am letzten Tag der Kündigungsfrist beim Arbeitgeber schriftlich eingehen muss. Versäumt man diese Einsprachefrist, tritt die Verwirkung des Entschädigungs-Anspruches ein.
Klagefrist
Sofern man sich nach der fristgemässen Einsprache nicht mit dem Arbeitgeber über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geeinigt hat, muss man zur Geltendmachung der Entschädigung innerhalb von 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage anhängig machen. Hier genügt der Poststempel, also die Übergabe der Klage am letzten Tag der Frist an die Post. Man sollte die Klage unbedingt als Einschreiben versenden, da man bei einem Einschreiben die Einlieferung und Auslieferung über die Sendungsverfolgung nachverfolgen kann.
Hat man zwar fristgemäss Einsprache erhoben, versäumt dann aber die Klagefrist, tritt ebenfalls die Verwirkung des Entschädigungs-Anspruches ein.
Beratung durch Rechtsanwalt für Arbeitsrecht
Da wir nicht auf alle möglichen Punkte in Bezug auf missbräuchliche Kündigungen durch den Arbeitgeber eingehen konnten, sollten Sie sich in einen Kündigungs-Fall, bei dem Sie von Missbräuchlichkeit ausgehen, von einem Rechtsanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen.
Unsere Anwälte für Arbeitsrecht helfen Ihnen gerne weiter. Rufen Sie einfach unsere Rechtsanwaltskanzlei an, um einen Beratungstermin mit einem unserer Rechtsanwälte für Arbeitsrecht zu vereinbaren:
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