Darf Arbeitgeber eine Kündigung während einer Krankheit vornehmen
Immer wieder werden unsere Anwältinnen und Anwälte gefragt, ob ein Arbeitgeber in der Schweiz einem kranken Arbeitnehmer gegenüber während der Krankheit die Kündigung aussprechen darf. Eine andere Frage ist es, ob man jemandem wegen einer Krankheit kündigen kann. Und schliesslich stellt sich in diesem Zusammenhang noch die Frage, ob der Arbeitnehmer selbst bei Krankheit kündigen darf. Alle diese Fragen werden im folgenden Beitrag von der Kanzlei Morandi Schnider Rechtsanwälte und Notare beantwortet.
Kündigung bei Krankheit durch Arbeitgeber
Die Kündigung im Krankheitsfall ist für viele Arbeitnehmer ein Schock. Nicht nur, dass der erkrankte Arbeitnehmer mit einer Krankheit belastet ist, jetzt hat er noch das zusätzliche Problem, dass er bald arbeitslos sein wird. Bei dieser Härte stellt sich die Frage, ob ein Arbeitgeber während einer Krankheit des Arbeitnehmers überhaupt kündigen darf.
Die Antwort auf diese Frage findet sich im Schweizerischen Obligationenrecht (OR), und zwar in Art. 336c Abs. 1 lit. b OR:
«Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen:
[…]
- während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen;»
Sperrfirsten bei Kündigung während Krankheit
Die in Art. 336c Abs. 1 lit. b OR genannten Zeiträume, während derer die Kündigung im Falle einer durch Krankheit oder Unfall bedingten Arbeitsunfähigkeit verboten ist, nennt man Sperrfristen, deren Länge von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängt:
- 30 Tage im ersten Dienstjahr
- 90 Tage vom zweiten bis und mit fünftem Dienstjahr
- 180 Tage ab dem sechsten Dienstjahr
Wird einem Arbeitnehmer während einer solchen Sperrfrist gekündigt, ist diese Kündigung nichtig, wie sich aus Art. 336c Abs. 2 OR ergibt. Will der Arbeitgeber weiterhin kündigen, muss er die Kündigung nach Ablauf der Sperrfrist erneut vornehmen. Eine medizinisch notwendige Operation ist übrigens wie eine Krankheit zu werten.
Vor Ablauf der Probezeit gibt es keine Kündigungssperrfristen im Falle einer durch Krankheit oder Unfall verursachten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers.
Arbeitsunfähigkeit erst während Kündigungsfrist
Erhält ein Arbeitnehmer die Kündigung und dieser erkrankt oder verunfallt mit der Folge der Arbeitsunfähigkeit erst nach Ausspruch der Kündigung während des Laufens der Kündigungsfrist, wird die Kündigungsfrist bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit unterbrochen, allerdings nur bis zur maximalen Dauer der für das jeweilige Arbeitsverhältnis geltenden Sperrfrist. Nach diesem Unterbruch läuft die Kündigungsfrist weiter.
Bei mehrmaliger Krankheit während der Kündigungsfrist beginnt die Sperrfrist jedes Mal erneut von Anfang an zu laufen, sofern es sich jedes Mal um eine neue Krankheit handelt. Liegt lediglich ein Rückfall vor, beginnt die Sperrfrist nicht von vorne an zu laufen; allerdings kann man den Rest – sofern vorhanden – der noch nicht aufgebrauchten Sperrfrist für die Zeit des Rückfalles geltend machen.
Ferner ist zu beachten, dass sich die nach Ende der Sperrfrist fortsetzende Kündigungsfrist im Fall der Geltung eines Endtermins für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des nächstfolgenden Endtermins verlängert, sofern der Endtermin nicht mit der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammenfällt. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit während der wegen eines Endtermins verlängerten Kündigungsfrist hat keine Auswirkung, führt also zu keinem Unterbruch während dieser Zeit.
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Kündigung wegen Krankheit durch Arbeitgeber
Fraglich ist, ob ein Arbeitnehmer auch wegen seiner Krankheit vom Arbeitgeber gekündigt werden darf. Das Gesetz sagt dazu nichts Genaues. Allerdings hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits zu dieser Frage geäussert und differenziert:
«Es ist grundsätzlich zulässig, jemandem wegen einer die Arbeitsleistung beeinträchtigenden Krankheit zu kündigen, jedenfalls soweit die Sperrfrist nach Art. 336c Abs. 1 lit. b OR abgelaufen ist […]. Dagegen läge eine nach Art. 336 OR verpönte Treuwidrigkeit vor, wenn die krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Verletzung einer dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht zuzuschreiben wäre […].»
(Urteil des Bundesgerichtes 4A_293/2019 vom 22. Oktober 2019)
Eine Kündigung also, die wegen einer Krankheit des Arbeitnehmers erfolgte, welche durch eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hervorgerufen wurde, ist missbräuchlich im Sinne von Art. 336 OR, was beim Arbeitnehmer gemäss Art. 336a OR einen Anspruch auf Entschädigung gegenüber dem Arbeitgeber entstehen lässt.
Kann ein Arbeitnehmer während Krankheit kündigen?
Für Arbeitnehmer, die während einer Krankheit kündigen möchten, gelten die Sperrfristen in Art. 336c Abs. 1 lit. b OR nicht. Allerdings dürfen Arbeitnehmer, die gemäss Art. 336d OR einen Vorgesetzten oder den Arbeitgeber zu vertreten haben, auch während einer Krankheit nicht kündigen, es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund gemäss Art. 337 OR vor, der zur fristlosen Kündigung berechtigt.
Und übrigens: Wenn der Arbeitnehmer vor einer Erkrankung selbst kündigt und dann während des Laufens der Kündigungsfrist krank wird, verlängert sich die Kündigungsfrist nicht.
Fragen Sie eine Anwältin oder einen Anwalt zur Kündigung im Krankheitsfalle
Sollten Sie Fragen zu einer Kündigung bei Krankheit beziehungsweise zu einer Kündigung wegen Krankheit haben, egal ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer gekündigt hat, kann Ihnen einer unserer auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwälte oder unsere auf das Arbeitsrecht spezialisierte Rechtsanwältin weiterhelfen. Wir beraten und vertreten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer.
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