Veröffentlicht am 6. Juli 2022 |

Einsprache gegen Mobilfunkantenne - Grenzwerte der Strahlung

Der Bau von Mobilfunkantennen ist vor allem wegen der neuen 5G-Technologie erneut ein grosses Ärgernis für viele Nachbarn einer solchen Anlage, weshalb sich die Frage nach der Möglichkeit einer Einsprache gegen die Mobilfunkantenne, insbesondere wegen deren Strahlung, stellt. Wie man sich gegen eine Mobilfunkantenne insbesondere durch eine Einsprache wehren kann, erfahren Sie im vorliegenden Beitrag der Morandi Schnider Rechtsanwälte und Notare. Angesichts der Tatsache, dass es noch keine gefestigte Rechtsprechung im Bereich Mobilfunkantennen gibt, kann sich die Rechtslage kurzfristig durch neue Urteile ändern.

Baubewilligungspflicht bei Errichtung von Mobilfunkantennen

Für den Neubau einer Mobilfunkantenne (MFA) ist immer eine Baubewilligung nötig, es besteht also eine Baubewilligungspflicht, und zwar sowohl für den Bau von konventionellen Antennen als auch für den Bau von adaptiven Antennen. Das heisst, dass beim Neubau einer Mobilfunkantenne stets ein Baubewilligungsverfahren, auch ordentliches Baugesuchsverfahren genannt, durchlaufen werden muss.

 

Lesen Sie auch unseren Artikel zum Thema «Ablauf Baubewilligungsverfahren – Baugesuch, Einsprache, Rechtsmittel».

 

Für andere Vorhaben als dem Neubau einer Mobilfunkantenne genügt teilweise das sogenannte «Bagatellverfahren», etwa in bestimmten Fällen des Antennenersatzes, bestimmten Fällen der Leistungsumverteilung ohne Antennenersatz und in bestimmten Fällen der Anwendung des sogenannten Korrekturfaktors. Bei der Umstellung einer konventionellen Mobilfunkanlage auf den adaptiven Mobilfunkantennenbetrieb ist stets ein ordentliches Baugesuchsverfahren durchzuführen.

 

Das «Bagatellverfahren» ist kein Bewilligungsverfahren. Dennoch wird die Einhaltung der Bagatellkriterien durch die kantonale Fachstelle für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NIS-Fachstelle) geprüft, bei der der Antennenbetreiber zuvor das aktualisierte Standortdatenblatt und die «Deklaration Bagatelländerung» eingereicht hat. Sollten die Bagatellkriterien nicht erfüllt sein, muss ein Baubewilligungsverfahren durchgeführt werden, also ein Baugesuch eingereicht werden.

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Mobilfunkantenne: Strahlungsgrenzwerte

Wenn es um die Frage geht, wie der Bürger vor der Strahlung, die von Mobilfunkantennen ausgeht, geschützt ist, finden sich die diesbezüglichen Rechtsgrundlagen im Umweltschutzgesetz (USG) und den Verordnungen, die auf Grund des USG erlassen wurden. In diesem Regelwerk finden sich insbesondere die Rechtsgrundlagen für die zwei einschlägigen Grenzwertarten, wenn es um Mobilfunkanlagen geht, den Anlagegrenzwert (AWG) und den Immissionsgrenzwert (IWG), die beide eingehalten werden müssen, damit die Mobilfunkantenne bewilligt werden kann.

Anlagegrenzwert (AWG) der Mobilfunkanlage

Die Regelung des Anlagegrenzwertes (AWG) einer Mobilfunkanlage findet seine Grundlage in Art. 11 Abs. 1 USG, wo es im Sinne des Vorsorgeprinzips heisst:

 

«Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen und Strahlen werden durch Massnahmen bei der Quelle begrenzt (Emissionsbegrenzungen).

 

Unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung sind Emissionen im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist.

 

Die Emissionsbegrenzungen werden verschärft, wenn feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden.»

 

Eine Massnahme zur Strahlenbegrenzung ist der Erlass von Emissionsgrenzwerten, und zwar über Verordnungen, Art. 12 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 USG. Die dazugehörige vom Bundesrat erlassene Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) regelt diese konkreten Emissionsgrenzwerte.

 

Gemäss Art. 15 Abs. 1 NISV ist der Anlagegrenzwert an Orten mit empfindlicher Nutzung einzuhalten, also nach Art. 3 Abs. 3 lit. a NISV insbesondere in Räume von Gebäuden, in welchen sich Personen regelmässig und während einer längeren Zeit aufhalten.

Immissionsgrenzwert (IWG) der Mobilfunkantenne

Neben dem Anlagegrenzwert ist bei einer Mobilfunkantenne auch der Immissionsgrenzwert (IWG) einzuhalten. Dieser findet seine rechtliche Grundlage in Art. 13 Abs. USG:

 

«Für die Beurteilung der schädlichen oder lästigen Einwirkungen legt der Bundesrat durch Verordnung Immissionsgrenzwerte fest.»

 

Weiter konkretisiert wird die Regelung des Immissionsgrenzwertes in Art. 14 lit. a USG:

 

«Die Immissionsgrenzwerte für Luftverunreinigungen sind so festzulegen, dass nach dem Stand der Wissenschaft oder der Erfahrung Immissionen unterhalb dieser Werte:

 

  1. Menschen, Tiere und Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume nicht gefährden;»

 

Obwohl hier von Luftverunreinigung die Rede ist, gilt diese Norm auch für nichtionisierende Strahlung.

 

In Bezug auf den Immissionsgrenzwert findet sich der konkrete Grenzwert ebenfalls in der NISV, wobei Art. 13 Abs. 1 NISV festlegt, dass die Immissionsgrenzwerte überall eingehalten werden müssen, wo die Möglichkeit besteht, dass sich Menschen aufhalten.

 

Sowohl der Anlagegrenzwert als auch der Immissionsgrenzwert ist abschliessend in der NISV festgelegt.

Einsprache gegen Mobilfunkantenne

Mit einer sogenannten öffentlich-rechtlichen Einsprache kann man sich gegen den Bau einer Mobilfunkantenne wehren und gegen Vorhaben, für die nicht das «Bagatellverfahren» gilt. Wenn es sich nämlich um ein Vorhaben handelt, für das die Durchführung des «Bagatellverfahrens» genügt, stehen Dritten keine Parteirechte zu, eine Einsprache ist dann also nicht möglich.

 

Sollte ein «Bagatellverfahren» durchgeführt worden sein, eigentlich aber ein ordentliches Baugesuchsverfahren erforderlich gewesen sein, kann man bei der zuständigen Behörde zumindest die Durchführung eines ordentlichen Baugesuchsverfahrens verlangen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn man zur Einsprache legitimiert wäre, also etwa im jeweiligen Einspracheperimeter wohnt oder zum Beispiel Grundeigentum im Einspracheperimeter besitzt.

 

Der sogenannte Einspracheperimeter oder auch Einspracheradius, ist der Umkreis, innerhalb dessen die Einsprache möglich ist. Relevant ist also nicht der Abstand zur Mobilfunkantenne nach Metern gemessen, sondern nach der Strahlungsintensität. Dieser Umkreis kann bei jeder Mobilfunkanlage unterschiedlich gross sein, da er von der Strahlungsleistung der Mobilfunkanlage abhängt. Konkret gehört zum Einspracheradius dasjenige Gebiet, in dem die Strahlung mindestens 10 % des Anlagegrenzwertes (AGW) betragen kann, auch wenn sich die Antenne im Nachbarkanton oder in der Nachbargemeinde befindet.

 

Um im Rahmen eines Baugesuchsverfahrens eine Einsprache gegen den Bau einer Mobilfunkantenne einreichen zu können, sind bestimmte Voraussetzungen erforderlich:

 

  • Betroffenheit von dem Bauvorhaben (gemäss Vollzugsempfehlung zur NISV): Mieter, Pächter, Eigentümer oder Ähnliches von folgenden Räumen, an denen die Strahlung mindestens 10 % des Anlagegrenzwertes (AGW) betragen kann:
    • Wohnräume
    • Schulräume
    • Kindergärten
    • Spitäler
    • Alters- und Pflegeheime
    • ständige Arbeitsplätze, die mehr als 2,5 Tage pro Woche besetzt sind (auch von verschiedenen Personen nacheinander)
  • Einhaltung der Frist zur Einsprache (variiert je nach Kanton)
  • Einhaltung der Form der Einsprache (schriftlich)
  • Einsprachebegründung (Einwände)

 

Es gibt verschiedene Grundlagen (Einwände), auf die man eine öffentlich-rechtliche Einsprache stützen kann, wobei sich diese von Kanton zu Kanton teilweise unterscheiden. Eine Grundlage gilt jedoch für alle Kantone gleich, und zwar die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV), in der die einschlägigen Strahlengrenzwerte geregelt sind. Eine Mobilfunkantenne muss danach – wie bereits oben ausgeführt – sowohl den Immissionsgrenzwert (IGW) als auch den Anlagegrenzwert (AGW) einhalten.

Umgang mit Mobilfunkantennen bei fehlender Bewilligung

Sollte eine Baubewilligung erforderlich gewesen sein, eine Mobilfunkantenne aber zum Beispiel ohne eine solche Bewilligung neu aufgebaut worden sein, kann die zuständige Behörde ein Nutzungsverbot aussprechen.

 

In Bezug auf bewilligungspflichtige Bauvorhaben kann die Behörde im Übrigen den Mobilfunkanbieter informell auffordern, ein Baugesuch einzureichen, oder per Verfügung darauf bestehen.

Beratung vom Rechtsanwalt zu Mobilfunkantennen

Unsere auf das Bau- und Umweltschutzrecht spezialisierten Rechtsanwälte beraten Sie gerne unter anderem zur Einsprache gegen Mobilfunkantennen, insbesondere dahingehend, mit welchen Einwänden diese begründet werden muss. Vereinbaren Sie einfach einen Termin per E-Mail, Kontaktformular oder telefonisch:

 

  • E-Mail: info@morandischnider.ch
  • Kontaktformular
  • Telefonnummer vom Rechtsanwaltskanzlei-Standort Grenchen: +41 32 654 99 99
  • Telefonnummer vom Rechtsanwaltskanzlei-Standort Herzogenbuchsee: +41 62 961 91 91

 

Neben der Einschätzung zu den Erfolgsaussichten der Einsprache können Ihnen unsere Rechtsanwälte auch eine Einschätzung in Bezug auf die möglichen Kosten der Einsprache geben. Da Sie Fristen bei der Einsprache beachten müssen, sollten Sie sich unverzüglich bei uns melden, um sich darüber zu informieren, bis wann die Einsprache erhoben werden muss.

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