Veröffentlicht am 24. Oktober 2022 |

Bauen ohne Baubewilligung - Verjährung, nachträgliche Baubewilligung

Das Bauen ohne Baubewilligung ist mit Ausnahme der nicht-baubewilligungspflichtigen Bauvorhaben verboten, und zwar nicht nur im Kanton Solothurn oder im Kanton Bern, sondern in der gesamten Schweiz. Wann beim Bauen ohne Baubewilligung Verjährung eintritt, welche Strafe man befürchten muss, wie das nachträgliche Baubewilligungsverfahren abläuft und welche Folgen sonst noch eintreten können, wenn man ohne Baubewilligung baut, erfahren Sie im vorliegenden Beitrag.

Was passiert, wenn man ohne Baubewilligung baut?

Bauten, die ohne Baubewilligung errichtet werden, sind rechtswidrig. Das betrifft übrigens auch solche Bauten, die nicht der erteilten Baubewilligung entsprechen (Überschreitung der Baubewilligung).
Bauen ohne Baubewilligung kann verschiedene Folgen nach sich ziehen, unter anderem diejenigen in der folgenden Liste:

• Nachträgliches Baubewilligungsverfahren
• Wiederherstellungsverfahren
• Einstellungsverfügung (Baustopp)
• Benützungsverbot
• Strafe

 

Die Mitglieder der Baubehörde müssen bei der Baubehörde unverzüglich Anzeige erstatten, wenn sie von einer Baute ohne erforderliche Baubewilligung Kenntnis erlangen. Bürger sind nicht dazu verpflichtet, können aber auch dann eine Anzeige bei der Baubehörde einreichen, wenn sie nicht von dem Bauvorhaben betroffen sind.

Nachträgliches Baubewilligungsverfahren

Wenn die Baubehörde davon erfährt, dass eine Baute ohne Baubewilligung errichtet wurde oder wird, obwohl eine solche Baubewilligung erforderlich gewesen wäre, prüft die Baubehörde zunächst summarisch, ob eine nachträgliche Baubewilligung möglich ist. Summarische Prüfung heisst, dass die Bewilligungsmöglichkeit ohne umfangreiche Beweiserhebung geprüft wird. Sollte diese Vorprüfung ergeben, dass die Baute die einschlägigen Normen nicht offensichtlich verletzt, hat die Baubehörde den Bauherren aufzufordern, nachträglich ein Baugesuch einzureichen.
Ergibt die summarische Prüfung jedoch, dass die Baute offensichtlich materiell rechtswidrig ist, muss kein nachträgliches Baubewilligungsverfahren eingeleitet werden, denn in diesem Fall ist die Baute nicht baubewilligungsfähig. Dies ist bloss in klaren Fällen und sehr restriktiv anzunehmen Bevor jedoch eine Verfügung aufgrund des rechtswidrigen Zustandes erlassen wird, muss dem Bürger rechtliches Gehör gewährt werden, indem er in einem Schreiben über das beabsichtigte Vorgehen und die Gründe dafür von der Baubehörde informiert wird und die Möglichkeit zur Stellungnahme erhält.

Lesen Sie auch unseren Artikel zum Ablauf des normalen Bewilligungsverfahrens.

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Verfahren betreffend Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes

 

Sollte der Bauherr der Aufforderung der Baubehörde, ein nachträgliches Baugesuch einzureichen, nicht nachkommen, hat die Baubehörde gemäss § 151 PBG/SO (Planungs- und Baugesetz, Solothurn) über die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes zu befinden oder anders ausgedrückt, ein Verfahren zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes einzuleiten.

Gleiches gilt, wenn die Baubehörde das nachträgliche Baugesuch nicht bewilligen kann, weil etwa nach intensiverer Prüfung als der summarischen Prüfung feststeht, dass das Bauvorhaben gegen einschlägige Normen verstösst. Das Wiederherstellungsverfahren ist aber auch dann einzuleiten, wenn die summarische Prüfung ergibt, dass die Baute offensichtlich materiell rechtswidrig ist.

Bei der Frage, ob die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes verfügt wird, muss die Baubehörde die Verhältnismässigkeit der Wiederherstellung prüfen und ob diese im öffentlichen Interesse ist, wobei die verschiedenen Interessen gegeneinander abgewägt werden müssen. Sollte der Bauherr die Baute im Wissen darum errichtet, dass eine Baubewilligung erforderlich gewesen wäre, kommt den Interessen eines solch bösgläubigen Bauherren bei der Abwägung in der Regel kein grosses Gewicht zu.

Einstellungsverfügung und Benützungsverbot

Gemäss § 150 PBG/SO (Planungs- und Baugesetz, Solothurn) muss man die baulichen Arbeiten auf Verfügung der Baubehörde unverzüglich einstellen, wenn man ohne Baubewilligung baut oder entgegen einer Baubewilligung. Gleiches gilt, wenn andere Vorschriften beim Bauen missachtet werden.
Wenn durch die illegale Baute zum Beispiel die Gesundheit von Menschen gefährdet wird, kann auch ein Benützungsverbot erlassen werden.

Beseitigungsverfügung

Eine Beseitigungsverfügung wird erlassen, wenn das Bauvorhaben nicht bewilligungsfähig ist. Ausserdem wird die Baubehörde darüber entscheiden, ob der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt werden muss oder zum Beispiel nur die Nutzung der rechtswidrigen Baute verunmöglicht werden muss.
Kommt der Bauherr der Beseitigung nicht innerhalb der gesetzten Frist nach, wird eine Ersatzvornahme durch die Baubehörde angeordnet, die allerdings zuvor angedroht werden muss. Die Behörde kann dann den rechtmässigen Zustand selbst wiederherstellen oder die Wiederherstellung durch Dritte vornehmen lassen, wobei dem Bauherrn die Kosten für die Ersatzvornahme in Rechnung gestellt werden.

Bestrafung

Bauen ohne Baubewilligung kann aber auch eine Strafe zur Konsequenz haben. Dazu heisst es in § 153 PBG/SO:

 

«Wer vorsätzlich oder fahrlässig als Grundeigentümer, Bauherr oder sonstwie Berechtigter, als Projektverfasser, Unternehmer, Bauleiter oder als Verantwortlicher für die Ausführung von Arbeiten die Bauvorschriften oder gestützt darauf erlassene Einzelverfügungen verletzt, wird mit Haft oder Busse bestraft.»

 

Jedermann kann eine Strafanzeige wegen dem Bauen ohne Baubewilligung im Kanton Solothurn einreichen, sofern eine Baubewilligung erforderlich gewesen wäre, und zwar bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn.

Bauen ohne Baubewilligung – Verjährung

Die Antwort auf die Frage, wann das Bauen ohne Baubewilligung „verjährt“ ist, also ab wann gegen den Bauherrn keine Ansprüche mehr wegen der fehlenden Baubewilligung geltend gemacht werden können, hängt vom jeweiligen Rechtsgebiet ab, in dem diese Ansprüche beheimatet sind.

 

Die Verjährung der Bestrafungsmöglichkeit beim Bauen ohne Baubewilligung etwa tritt gemäss § 153 PBG/SO (Planungs- und Baugesetz, Solothurn) nach 3 Jahren ein. Das heisst, dass keine Strafverfolgung mehr wegen dem Bauen ohne Baubewilligung erfolgen kann, wenn die dreijährige Verjährungszeit um ist, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Bestrafung (Haft oder Busse) eigentlich vorliegen würden.

Der Anspruch der Baubehörde auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes verwirkt wesentlich später. Innerhalb der Bauzone beträgt die Verwirkungsfrist gemäss der Praxis des Bundesgerichtes 30 Jahre. Allerdings werden diese Bauten damit nicht rechtmässig, was zur Folge hat, dass sie nur mit Massnahmen unterhalten werden dürfen, die nicht bewilligungspflichtig sind. Sind die 30 Jahre abgelaufen, kann aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich keine Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes verlangt werden, es sei denn, dass die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes geboten ist, und zwar aus baupolizeilichen Gründen im engeren Sinne, wie es im Urteil des Bundesgerichtes vom 7. Oktober 1981 heisst (BGE 107 Ia 121):

«Wird durch den Fortbestand eines baugesetzwidrigen Gebäudes oder Gebäudeteiles eine konkrete, d.h. ernsthafte und unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der Bewohner oder der Passanten geschaffen, so können die Behörden den Abbruch dieses Gebäudes oder Gebäudeteiles unbekümmert um den Zeitablauf verfügen.»

 

In bestimmten Fällen kann der Anspruch auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes aber schon vor Ablauf der 30 Jahre erlöschen, und zwar aus Gründen des Vertrauensschutzes. So schreibt der Regierungsrat des Kantons Obwalden – in anderen Kantonen kann die Verwaltung natürlich anderer Meinung sein – in einem Entscheid vom 27. März 2007 (VVGE 2007/08 Nr. 19, S. 72):

«Wenn der polizeiwidrige Zustand während sehr langer Zeit hingenommen worden ist und die Verletzung öffentlicher Interessen nicht schwer wiegt, vermag der Umstand allein, dass die Behörden nichts dagegen unternommen haben, einen Vertrauenstatbestand zu begründen […]. Die Berufung auf den Vertrauensschutz infolge Duldung fusst in der Begründung, dass die Behörden einen rechtswidrigen Zustand durch konkludentes Verhalten gebilligt haben. Ein solcher Fall setzt jedoch voraus, dass die zuständige Baubehörde die Widerrechtlichkeit in voller Kenntnis der Sachlage, oder wenn sie die Gesetzeswidrigkeit bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten kennen müssen, widerspruchslos hingenommen und auf ein Einschreiten verzichtet hat […]. Zudem kann sich nur ein gutgläubiger Bauherr auf den Vertrauensschutz berufen […].»

 

Bei Bauten ausserhalb der Bauzone gilt die 30-jährige Verwirkungsfrist laut einem Urteil des Bundesgerichtes vom 28. April 2021 nicht (1C_469/2019, 1C_483/2019), insbesondere um die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet durch die «Ersitzung» rechtswidriger Nutzungen nicht zu gefährden.

 

Persönliche Einzelfallbeurteilung unumgänglich

Da die Frage, welche Rechtsfolgen das Bauen ohne Baubewilligung hat, von vielen verschiedenen Faktoren abhängt, ist eine persönliche Einzelfallbeurteilung unumgänglich. Verschiedene Behörden sowie Gerichte – etwa aus unterschiedlichen Kantonen – und sogar unterschiedliche Kammern innerhalb derselben Gerichte können jeweils anders entscheiden. Ausserdem gelten unterschiedliche Regeln je nachdem wo und wann eine Baute ohne Baubewilligung errichtet wurde beziehungsweise ein Bauvorhaben ohne Baubewilligung durchgeführt wurde.

Sollten Sie an einer Einschätzung durch einen Anwalt in Ihrem Fall interessiert sein, können Sie uns gerne für die Vereinbarung eines Beratungstermins kontaktieren:

 

  • Telefonisch sind wir unter der +41 32 654 99 99 an unserem Standort in Grenchen erreichbar oder unter der +41 62 961 91 91 an unserem Standort in Herzogenbuchsee.
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