Veröffentlicht am 8. August 2022 |

Berechnung Lohnfortzahlung - teilweise oder ganze Arbeitsunfähigkeit

Die Berechnung der Lohnfortzahlung etwa bei Krankheit – insbesondere bei nur teilweiser Arbeitsunfähigkeit – stellt die Arbeitgeber oftmals vor grosse Herausforderungen.

 

Wie man die Lohnfortzahlung bei teilweiser und wie bei ganzer Arbeitsunfähigkeit etwa infolge Krankheit oder Unfall berechnet, erfahren Sie im folgenden Beitrag, wobei sich die Ausführungen auf Arbeitsverhältnisse im Privatrecht beziehen. In der öffentlichen Verwaltung oder Staatsunternehmen können andere oder eingeschränkte Regeln gelten.

Lohnfortzahlungs­pflicht des Arbeitgebers

Bei Arbeitsunfähigkeit steht dem Arbeitnehmer – sofern nichts Gleichwertiges vereinbart ist – gemäss Art. 324a OR je nach Länge des Arbeitsverhältnisses für eine bestimmte Zeit eine Lohnfortzahlung in Höhe von 100% vom Lohn durch den Arbeitgeber zu, und zwar vom ersten Krankheitstag an, sofern keine Wartezeit greift beziehungsweise sofern es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis von mehr als drei Monaten handelt. Konkret heisst es in Art. 324a OR zur Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers unter anderem:

 

«Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist.

 

Sind durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nicht längere Zeitabschnitte bestimmt, so hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit zu entrichten, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen.»

 

Zu beachten ist jedoch, dass in Art. 324a Abs. 4 OR die Möglichkeit eingeräumt ist, durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag (NAV) oder Gesamtarbeitsvertrag (GAV) eine von der gesetzlichen Lohnfortzahlungsregelung abweichende Regelung zu vereinbaren, sofern diese mindestens gleichwertig für den Arbeitnehmer ist.

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Beginn und Dauer der Lohnfortzahlungspflicht

Der erstmalige Beginn der Lohnfortzahlungspflicht hängt davon ab, wie das jeweilige Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist:

 

  • unbefristeter Arbeitsvertrag mit Kündigungsfrist von drei oder weniger Monaten: Lohnfortzahlungsanspruch ab dem ersten Tag des vierten Anstellungsmonats
  • unbefristeter Arbeitsvertrag ohne Kündigungsfrist vor Ablauf von drei Monaten: Lohnfortzahlungsanspruch ab erstem Tag des ersten Anstellungsmonats
  • befristeter Arbeitsvertrag von mehr als drei Monaten: Lohnfortzahlungsanspruch ab erstem Tag des ersten Anstellungsmonats
  • befristeter Arbeitsvertrag von drei Monaten oder weniger: kein Lohnfortzahlungsanspruch

 

Was die Dauer der Lohnfortzahlung anbelangt, trifft das Gesetz für das erste Dienstjahr in Art. 324a Abs. 2 OR eine klare Regelung, wo es heisst, dass die Lohnfortzahlung drei Wochen lang zu erfolgen hat. Zur Dauer der Lohnfortzahlungspflicht ab dem zweiten Dienstjahr gibt es je nach Kanton teilweise abweichende Skalen, die von den Gerichten angewendet werden, wie sich aus den folgenden Tabellen ergibt:

 

Basler Skala für die Kantone: Basel-Stadt (BS), Basel-Landschaft (BL)
1. Dienstjahr 3 Wochen
2. Dienstjahr 2 Monate
3. Dienstjahr 2 Monate
4. Dienstjahr 3 Monate
5. Dienstjahr 3 Monate
6. Dienstjahr 3 Monate
7. Dienstjahr 3 Monate
8. Dienstjahr 3 Monate
9. Dienstjahr 3 Monate
10. Dienstjahr 3 Monate
11. Dienstjahr 4 Monate

 

Berner Skala für die Kantone: Solothurn (SO), Bern (BE), Aargau (AG),Obwalden (OW), St. Gallen (SG), West-CH
1. Dienstjahr 3 Wochen
2. Dienstjahr 1 Monat
3. Dienstjahr 2 Monate
4. Dienstjahr 2 Monate
5. Dienstjahr 3 Monate
6. Dienstjahr 3 Monate
7. Dienstjahr 3 Monate
8. Dienstjahr 3 Monate
9. Dienstjahr 3 Monate
10. Dienstjahr 4 Monate
11. Dienstjahr 4 Monate

 

 

Zürcher Skala für die Kantone: Zürich (ZR), Graubünden (GR)
1. Dienstjahr 3 Wochen
2. Dienstjahr 8 Wochen
3. Dienstjahr 9 Wochen
4. Dienstjahr 10 Wochen
5. Dienstjahr 11 Wochen
6. Dienstjahr 12 Wochen
7. Dienstjahr 13 Wochen
8. Dienstjahr 14 Wochen
9. Dienstjahr 15 Wochen
10. Dienstjahr 16 Wochen
11. Dienstjahr 17 Wochen

 

 

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Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers mit Versicherung

Die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers kann gemäss Art. 324a Abs. 4 OR durch eine abweichende Vereinbarung ersetzt werden, sofern diese Regelung für den Arbeitnehmer zumindest gleichwertig ist.

 

Als gleichwertig gilt zum Beispiel die Regelung, durch die die Lohnfortzahlung von einer Krankentaggeldversicherung (KTG) übernommen wird, sofern mindestens folgende Konditionen eingehalten werden:

 

  • Lohnfortzahlung in Höhe von 80% des Lohnes
  • Lohnfortzahlungsdauer während 720 Tagen innerhalb eines Zeitraumes von 900 aufeinanderfolgenden Tagen
  • Arbeitgeber muss mindestens 50% der KTG-Versicherungsprämie übernehmen
  • maximal sind 3 Karenztage zulässig, also Tage seit Arbeitsverhinderungsbeginn, an denen noch keine Lohnfortzahlung zu leisten ist

 

Oftmals gibt es bei den Krankentaggeldversicherungen Wartefristen von 30 oder 60 Tagen. Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber während dieser Wartefristen zur Lohnfortzahlung verpflichtet bleibt, wobei auch hier eine Lohnfortzahlung von mindestens 80% des Lohnes erfolgen muss. Fehlt eine Vereinbarung in Bezug auf die Höhe des fortzuzahlenden Lohnes während der Wartefrist, hat der Arbeitgeber 100% des Lohnes während der Wartefrist zu zahlen.

Ausnahme von der Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324b OR

In Art. 324b OR ist eine weitere Ausnahme von der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers geregelt, und zwar für den Fall, dass der Arbeitnehmer durch Versicherungsleistungen aus obligatorischer Versicherung – etwa gemäss Unfallversicherungsgesetz (UVG) – gegen unverschuldete persönliche Arbeitsverhinderung vier Fünftel des Lohnes erhält. Genügen die Versicherungsleistungen nicht dazu, muss der Arbeitgeber die Differenz zahlen, um vier Fünftel des Lohnes zu erreichen.

 

Bei der obligatorischen Unfallversicherung (UVG) gibt es zwei Karenztage nach dem Tag, an dem der Unfall passiert ist. Umstritten ist, ob der Unfalltag selbst als Arbeitstag gilt, und damit zu 100% vom Arbeitgeber zu bezahlen ist, oder nicht als Arbeitstag gilt, und damit zu 80% vom Arbeitgeber zu bezahlen ist. An den zwei Karenztagen ist jedenfalls eine Fortzahlung des Lohnes in Höhe von 80% durch den Arbeitgeber zu leisten.

Lohnfortzahlung bei Krankheit berechnen

Wie man die Lohnfortzahlung bei Krankheit beziehungsweise Arbeitsunfähigkeit berechnen muss, hängt unter anderem davon ab, ob der Arbeitnehmer ganz arbeitsunfähig ist, also zu 100%, oder nur eine teilweise Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

 

Generell gilt, dass neben dem Fixum auch alle weiteren Bestandteile des Lohnes im Rahmen der Lohnfortzahlung zu zahlen sind, wenn diese Bestandteile ohne Arbeitsunfähigkeit zu zahlen gewesen wären, also etwa das 13. Monatsgehalt, Zulagen oder ausfallende Provisionen.

Lohnfortzahlung bei ganzer Arbeitsunfähigkeit

Bei ganzer Arbeitsunfähigkeit infolge etwa von Krankheit steht dem Arbeitnehmer eine Fortzahlung des Lohnes in der Höhe von 100% des Lohnes zu. Die Dauer der Lohnfortzahlung berechnet man anhand der für den jeweiligen Kanton entsprechenden Skala pro Dienstjahr. Das heisst, zu Beginn eines neuen Dienstjahres steht dem Arbeitnehmer die nach der jeweiligen Skala geltende Lohnfortzahlungsdauer für dieses Dienstjahr zu. Kommt es innerhalb eines Dienstjahres zu mehreren Zeiträumen, in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist, werden diese Absenzen zusammengezählt.

Lohnfortzahlung bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit

Bei nur teilweiser Arbeitsunfähigkeit muss man in Bezug auf die Dauer der Lohnfortzahlung nach herrschender Meinung die teilweise Arbeitsunfähigkeit auf einen längeren Zeitraum umrechnen.

 

Wenn also zum Beispiel ein Arbeitnehmer zu 50% arbeitsunfähig ist, hätte er im ersten Dienstjahr einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für eine Dauer von 6 Wochen.

 

Begründet wird diese Auslegung des Gesetzes damit, dass in Art. 324a Abs. 1 OR steht, der Arbeitgeber muss den Lohn «für eine beschränkte Zeit» fortzahlen und nicht während einer beschränkten Zeit. Wenn also im Gesetz von 3 Wochen Lohnfortzahlung im ersten Dienstjahr die Rede ist, verdoppelt sich die beschränkte Zeit auf 6 Wochen, sofern der Arbeitnehmer nur zu 50% arbeitsunfähig ist.

 

Lesen Sie auch unseren Artikel zum Thema «Arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit: Lohnfortzahlung und Sperrfrist».

Lohnfortzahlung bei Stundenlohn

Teilweise werden Arbeitnehmer per geleisteten Stunden entlohnt, was oftmals dazu führt, dass die Höhe des Lohnes jeden Monat anders ausfällt. Bei solchen unregelmässigen Löhnen stellt man bei der Ermittlung des fortzuzahlenden Lohnes auf den Durchschnittslohn der letzten 12 Monate ab.

Anwaltliche Beratung zur Lohnfortzahlung

Wenn Sie sich von einem Anwalt zur Berechnung der Lohnfortzahlung etwa bei Krankheit, Unfall, ganzer oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit beraten lassen möchten, helfen Ihnen unsere auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwälte gerne weiter. Sie können uns dazu auf folgenden Wegen kontaktieren:

 

  • Telefon:
    • Büro in Solothurn: +41 32 623 91 91
    • Büro in Grenchen: +41 32 654 99 99
    • Büro in Herzogenbuchsee: +41 62 961 91 91

 

  • E-Mail: info@morandischnider.ch

 

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